Freie Grabgestaltung

Die neue Freiheit auf dem Friedhof und die Blockade der Bürgermeister und Gemeinderäte

Es ist unfassbar, dass das Recht auf einem Friedhof ohne Gestaltungsvorschriften von trauernden Hinterbliebenen selbst geschützt werden muss. Wenn das Bürgermeisteramt die Amtsgewalt missbraucht und das Recht der Grabnutzer und das Recht der Friedhofssatzung beugt, dann müssen die Hinterbliebenen Zivilcourage zeigen und gegen die Rechtsbeugung angehen. Die Friedhofssatzung, die auf Friedhöfen ohne Gestaltungsvorschriften eine freie Grabgestaltung erlaubt, sehen manche Rathauschefs nicht als rechtsverbindlich an. Die Umsetzung und Einhaltung der satzungsgemäßen, freien Grabgestaltung ist nicht selbstverständlich. Das müssen aktuell trauernde Eltern und Hinterbliebene schmerzlich erleiden. Die Ignoranz der Friedhofssatzung und die Eiseskälte gegenüber der lebendigen, emotionalen Trauer der Hinterbliebenen ist eine Methode, die „das Ideal der Gleichförmigkeit der Soldatenfriedhöfe auf zivile Friedhöfe überträgt. In Deutschland haben dadurch bestimmte Typisierungen Einzug in die Gestaltung der Friedhöfe gehalten“, sagt Gerold Eppler, der stellvertretende Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel.

Der Soziologe Dr. Thorsten Benkel (Uni Passau) thematisiert in seinen wissenschaftlichen Arbeiten zum gesellschaftlichen Wandel der Friedhofskultur, die Zuspitzung zwischen persönlichen Erinnerungs-/ Gedenkinteressen und institutionellen Einschränkungen schon seit einigen Jahren.  Die erlebte Willkür des Rathauses ist „überhaupt kein Einzelfall“, das schreibt er persönlich an uns.

Die institutionelle Einschränkung

Der Schock der amtlichen Beseitigungsverfügung durch die Bürgermeisterin Rita Behr-Martin (Zugestellt am 10.02.2022) hat die trauernden Eltern Hartmut und Theodora Schott,  in Wallhausen, Landkreis Schwäbisch Hall, schwer getroffen. Binnen 12 Werktagen soll die Grabgestaltung ihres Sohnes Ricardo entfernt werden, bis zum Stichtag 28.02.2022. Wenn dies nicht erfolgt, droht die Beseitigung durch das Friedhofsamt, auf ihre Kosten. Der Schrecken über die amtliche Gewalt, ohne Mitgefühl, in einer rigorosen Ignoranz gegenüber ihren Gefühlen, in der anhaltenden Trauerbewältigung, liefert sie der Ohnmacht aus. Die aufgeführten drei Gründe der Rathauschefin, dass sich eine Friedhofsbesucherin über die Gestaltung beschwert hat, die aktuell aufgestellte Version von der genehmigten Version abweiche und die Grabgestaltung die „Würde des Ortes“ verletze, machen die Eltern sprach- und fassungslos. Die Vielfalt und die Demokratie sind auf dem Friedhof nicht gestattet.

Grabmal Ricardo Schott
Grabgestaltung Ricardo Schott, Friedhof Wallhausen, errichtet und enthüllt im November 2021

Für die verzweifelten Eltern liegt die Rettung in der schnell anlaufenden, emotionalen Unterstützung durch Freunde und Bekannte und in der Rechtsberatung durch Fachleute. Die Ergebnisse einer erfolgreichen Unterschriftenaktion (160 haptische Unterschriften) legen sie ihrem Widerspruch an die Rathauschefin bei. Sowohl die Bürgermeisterin als auch der Gemeinderat lassen sich nicht erweichen und umstimmen. Die Akte „Beseitigungsverfügung und Widerspruch“ geht an das Landratsamt Schwäbisch Hall, als Rechtsaufsichtsbehörde. Bis heute steht die Grabgestaltung auf dem Friedhof in Wallhausen. Mehrere Versuche, weder schriftlich noch mündlich, haben bis heute keine Einsicht beim Bürgermeisteramt und beim Gemeinderat erwirkt. Der Wandel in der Friedhofskultur ist in Wallhausen und anderen Gemeinden (siehe TV Video  aus Rheinland Pfalz) noch nicht angekommen. Eine zeitgemäße, respektvolle Friedhofskultur, die Tradition und Innovation fördert und niemanden ausschließt, unterliegt auf dem Land oft einem längeren Wandlungsprozess. Das erleben Hinterbliebene in ihrer Trauerbewältigung auf schmerzliche Weise. Ihre Rechte, die Friedhofssatzung und die Rechtsprechung zu kennen, ist ein entscheidender Faktor gegen die Willkür in den relevanten Rathäusern vorzugehen. Aktuell liegt das Verfahren beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Die Eltern haben eine Klage gegen die Rathausverwaltung eingereicht. Der Rechtsanwalt und Geschäftsführer Christoph Keldenich, von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas, vertritt die Klage vor Gericht.

Die Initiative Friedhofkultur Wallhausen hat sich aus den Beteiligten der Unterschriftenaktion für den Erhalt der Grabgestaltung des Sohnes Ricardo Schott gebildet und setzt sich für die Umsetzung des Rechts auf Grabfelder ohne Gestaltungsvorschriften ein. Lesen Sie hier die Ziele, Visionen und Motive.

Wir machen Sie auf Ihre Rechte, auf die Friedhofssatzung und auf die Rechtsprechung aufmerksam und bitten um Ihre Unterstützung beim Einzug einer zeitgemäßen Friedhofskultur auf dem Land. Auf der Seite „Aktuelles“ informieren wir regelmäßig über den aktuellen Stand des laufenden Verfahrens in Wallhausen.

Video: Amtsgewalt vor Verwaltungsgericht, Hartmut SchottVideo: Rathaus verstößt gegen das Nichtschadensprinzip,        Hartmut SchottHerzlose Rathausverwaltungen gegenüber Trauernden gibt es nicht nur in Baden-Württemberg. Hier ein aktueller Beitrag des SWR aus Rheinland Pfalz.