Freie Grabgestaltung auf Friedhöfe ohne Gestaltungsvorschriften

Ein christlich-religiös feindliches Urteil

            Die Eltern Hartmut und Theodora Schott               gehen in Berufung

Für die Eheleute Schott geht es um die Ausübung der Religionsfreiheit auf dem christlich-religiös geprägten Wallhausener Friedhof und um die Kennzeichnung des Urteils als Diskriminierung ihrer religiös motivierten Erinnerungs- und Trauerbewältigungsstätte. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat das Urteil im Verfahren der Hinterbliebenen Hartmut und Theodora Schott vs. Gemeinde Wallhausen am 16.4.2024 gesprochen, und in der Entscheidungsfindung zur Abweisung ihrer Klage den gebildeten Durchschnittsmenschen[1] befragt. Diese standardisierte, richterliche Vorgehensweise ist für die Eltern Schott nur mit einem satirischen Kunstgriff zu ertragen. In ihren Augen sagt dieser Durchschnitts-mensch und letztendlich das Urteil:                                                   „Ist der Friedhof beschwerend, dunkel und grau, darf die Grabgestaltung nicht, freudig, hell und lebendig sein. Die Grabgestaltung muss in das Gesamtbild passen. Darum beseitigt den leuchtenden Störfaktor aus der schönen Dunkelheit.“        Für die klagenden Eltern verfügt der sog. gebildete Durchschnittsmensch, den das Gericht zur Entscheidung heranzieht, nicht über die Fähigkeit, mehrdimensional zu denken. Die Einfalt ist sein höchstes Gut und der Kleingeist die Quelle seiner Macht. Auf dem christlich-religiös geprägten Wallhausener Friedhof, mit dem Kreuz als zentral, erhöhtem Fixpunkt des Friedhofs, dürfen die zwei großen Elemente der Kreuzesgeschichte Tod und Auferstehung nicht nebeneinander dargestellt werden. Der sogenannte gebildete Durchschnittsmensch, dem die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart, vertreten durch den vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Wenger, folgt, ist aus Sicht der Eltern für ästhetische Eindrücke eingeschränkt, da er ein Verehrer und Fan von Tod und Trauer ist. Die Auferstehung und ihre Freude könne der sog. gebildete Durchschnittsmensch nicht sehen und nicht denken. Deshalb passt das Grabmal des Sohnes, das den Titel „Auferstehung“ trägt und einen farbigen, aufrechtgehenden Ricardo zeigt, nicht in seinen Horizont. Die Friedhofskultur dieses fiktiven gebildeten Durchschnittsmenschen ist die Grauheit, Einfältigkeit und Beschwernis, die mit dem überdimensionierten Kreuz als bestimmendes, ortsbildprägendes Symbol für den Charakter des Friedhofs nichts gemein hat.

Friedhof Wallhausen mit ortsbildprägenden Kreuz
Die Würde des Ortes wird durch das leuchtende Grabmal aufgerichtet 

Dass die Freude der Auferstehung seriös-kreativ, farblich und lebendig auf dem Grab eines christlich-religiösen Friedhofs nicht gestaltet werden darf, verstößt aus Sicht der Eheleute Schott gegen die Ausübung der Religionsfreiheit und ist deshalb ein christlich-religiös feindliches Urteil. Aus Sicht der Schotts bekommt der Wallhausener Friedhof mit der leuchtenden Grabgestaltung erstmalig seine Würde zurück.                                                                                              Der Rechtsanwalt Christoph Keldenich, der die Eheleute Schott vertritt, sagt zum Urteil: „Dass die Richter sowie die Gemeinde Wallhausen und die sich beschwerenden Friedhofsbesucher die resiliente Trauerbewältigungskompetenz von Auferstehung und Freude als christliches Konzept auf dem Friedhof nicht dulden, darf so nicht stehen bleiben. Die Berufung ist daher das beste Mittel, um das genehmigungsfähige Grabmal zu schützen und die Würde des christlich-religiösen Ortes rechtlich neu zu definieren.“                                                                             Aufgrund des christlich-religiös feindlichen Urteils stellen die Hinterbliebenen Hartmut und Theodora Schott einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.    Der Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Tade M. Spranger (Kanzlei Rittershaus, Mannheim) hat die Begründung zum Berufungsantrag verfasst und eingereicht. Sehr empfehlenswert! Hier lesen…

Auf der Tafel vor dem Grabmal ist folgende Inschrift eingraviert:

Ricardo Schott                                                                       10.03.1993 – 29.01.2019                

Das bevorstehende Ereignis für Ricardo ist die Auferstehung. Der aufrechte Gang zeigt die Lebendigkeit seiner unsterblichen Existenz. Die verschiedenen Farbräume bilden die transformatorische Durchschreitung der vier Lebensphasen wieder:

  1. von der Idee Mensch, bei Gott
  2. zum sichtbaren sterblichen Menschen, auf der Erde
  3. zum unsichtbaren Menschen, in der Atmosphäre
  4. zum wieder sichtbaren Menschen, auf der Erde

Die Kunst der Auferstehungsskulptur weist auf die Unendlichkeit des Menschen. 

Auferstehung

Gestaltet von Bertold Grether, 2021

Bildhauer, Berlin

[1] Für die Entscheidung über das zur Erhaltung der Würdige Notwendige und Zulässige wird im Allgemeinen auf das Empfinden des sogenannten gebildeten Durchschnittsmenschen, also des für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters, abgestellt (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 13. Aufl. 2019, 13. Kap. Rn. 43 m.w.N.). (Zitiert im Original, aus Urteils- und Entscheidungsbegründung S.11)

Grabstreit um farbenfrohes Totengedenken

2022 hat das Friedhofsdrama begonnen:
Die neue Freiheit auf dem Friedhof und die Blockade der Bürgermeister und Gemeinderäte

Es ist unfassbar, dass das Recht auf einem Friedhof ohne Gestaltungsvorschriften von trauernden Hinterbliebenen selbst geschützt werden muss. Wenn das Bürgermeisteramt die Amtsgewalt missbraucht und das Recht der Grabnutzer und das Recht der Friedhofssatzung beugt, dann müssen die Hinterbliebenen Zivilcourage zeigen und gegen die Rechtsbeugung angehen. Die Friedhofssatzung, die auf Friedhöfen ohne Gestaltungsvorschriften eine freie Grabgestaltung erlaubt, sehen manche Rathauschefs nicht als rechtsverbindlich an. Die Umsetzung und Einhaltung der satzungsgemäßen, freien Grabgestaltung ist nicht selbstverständlich. Das müssen aktuell trauernde Eltern und Hinterbliebene schmerzlich erleiden. Die Ignoranz der Friedhofssatzung und die Eiseskälte gegenüber der lebendigen, emotionalen Trauer der Hinterbliebenen ist eine Methode, die „das Ideal der Gleichförmigkeit der Soldatenfriedhöfe auf zivile Friedhöfe überträgt. In Deutschland haben dadurch bestimmte Typisierungen Einzug in die Gestaltung der Friedhöfe gehalten“, sagt Gerold Eppler, der stellvertretende Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel.

Der Soziologe Dr. Thorsten Benkel (Uni Passau) thematisiert in seinen wissenschaftlichen Arbeiten zum gesellschaftlichen Wandel der Friedhofskultur, die Zuspitzung zwischen persönlichen Erinnerungs-/ Gedenkinteressen und institutionellen Einschränkungen schon seit einigen Jahren.  Die erlebte Willkür des Rathauses ist „überhaupt kein Einzelfall“, das schreibt er persönlich an uns.

Die institutionelle Einschränkung

Der Schock der amtlichen Beseitigungsverfügung durch die Bürgermeisterin Rita Behr-Martin (Zugestellt am 10.02.2022) hat die trauernden Eltern Hartmut und Theodora Schott,  in Wallhausen, Landkreis Schwäbisch Hall, schwer getroffen. Binnen 12 Werktagen soll die Grabgestaltung ihres Sohnes Ricardo entfernt werden, bis zum Stichtag 28.02.2022. Wenn dies nicht erfolgt, droht die Beseitigung durch das Friedhofsamt, auf ihre Kosten. Der Schrecken über die amtliche Gewalt, ohne Mitgefühl, in einer rigorosen Ignoranz gegenüber ihren Gefühlen, in der anhaltenden Trauerbewältigung, liefert sie der Ohnmacht aus. Die aufgeführten drei Gründe der Rathauschefin, dass sich eine Friedhofsbesucherin über die Gestaltung beschwert hat, die aktuell aufgestellte Version von der genehmigten Version abweiche und die Grabgestaltung die „Würde des Ortes“ verletze, machen die Eltern sprach- und fassungslos. Die Vielfalt und die Demokratie sind auf dem Friedhof nicht gestattet.

Grabmal Ricardo Schott
Grabgestaltung Ricardo Schott, Friedhof Wallhausen, errichtet und enthüllt im November 2021

Für die verzweifelten Eltern liegt die Rettung in der schnell anlaufenden, emotionalen Unterstützung durch Freunde und Bekannte und in der Rechtsberatung durch Fachleute. Die Ergebnisse einer erfolgreichen Unterschriftenaktion (160 haptische Unterschriften) legen sie ihrem Widerspruch an die Rathauschefin bei. Sowohl die Bürgermeisterin als auch der Gemeinderat lassen sich nicht erweichen und umstimmen. Die Akte „Beseitigungsverfügung und Widerspruch“ geht an das Landratsamt Schwäbisch Hall, als Rechtsaufsichtsbehörde. Bis heute steht die Grabgestaltung auf dem Friedhof in Wallhausen. Mehrere Versuche, weder schriftlich noch mündlich, haben bis heute keine Einsicht beim Bürgermeisteramt und beim Gemeinderat erwirkt. Der Wandel in der Friedhofskultur ist in Wallhausen und anderen Gemeinden noch nicht angekommen. Eine zeitgemäße, respektvolle Friedhofskultur, die Tradition und Innovation fördert und niemanden ausschließt, unterliegt auf dem Land oft einem längeren Wandlungsprozess. Das erleben Hinterbliebene in ihrer Trauerbewältigung auf schmerzliche Weise. Ihre Rechte, die Friedhofssatzung und die Rechtsprechung zu kennen, ist ein entscheidender Faktor gegen die Willkür in den relevanten Rathäusern vorzugehen. Aktuell liegt das Verfahren beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Die Eltern haben eine Klage gegen die Rathausverwaltung eingereicht. Der Rechtsanwalt und Geschäftsführer Christoph Keldenich, von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas, vertritt die Klage vor Gericht.

Die Initiative Friedhofkultur Wallhausen hat sich aus den Beteiligten der Unterschriftenaktion für den Erhalt der Grabgestaltung des Sohnes Ricardo Schott gebildet und setzt sich für die Umsetzung des Rechts auf Grabfelder ohne Gestaltungsvorschriften ein. Lesen Sie hier die Ziele, Visionen und Motive.

Wir machen Sie auf Ihre Rechte, auf die Friedhofssatzung und auf die Rechtsprechung aufmerksam und bitten um Ihre Unterstützung beim Einzug einer zeitgemäßen Friedhofskultur auf dem Land. Auf der Seite „Aktuelles“ informieren wir regelmäßig über den aktuellen Stand des laufenden Verfahrens in Wallhausen.

Video: Amtsgewalt vor Verwaltungsgericht, Hartmut SchottVideo: Rathaus verstößt gegen das Nichtschadensprinzip,        Hartmut Schott