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Antwort des Bürgermeisters auf unseren Widerspruch

Wallhausen, den 27.10.2022

Sehr geehrte Frau Schott, sehr geehrter Herr Schott,

wir bestätigen den Eingang Ihres Widerspruchs vom 17.10.2022 für den 19.10.2022. Ihre Darlegungen haben wir nochmals geprüft. Wir halten den Widerspruch weiterhin für nicht begründet und können diesem nicht gemäß § 72 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abhelfen. Wir werden Ihren Widerspruch nun dem Landratsamt Schwäbisch Hall als Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorlegen.

Wir weisen darauf hin, dass in dem Bescheid vom 21.09.2022 keine sofortige Vollziehung der Beseitigungsverfügung angeordnet worden ist, weshalb der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 80 Abs. 1 S.1 VwGO).

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Frickinger                                                                                 Bürgermeister

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2. Beseitigungsverfügung

Wallhausen, den 21. September 2022

Grabanlage Reihengrab (Einzelgrab) Ricardo Schott, Friedhof Wallhausen, Grabfeld N, Grab-Nr. 2

Beseitigungsverfügung

Sehr geehrte Frau Schott,                                                                       Sehr geehrter Herr Schott,

nachdem Sie im Rahmen Ihrer Anhörung mit E-Mail vom 31.08.2022 nochmals Stellung genommen haben, ergeht nunmehr folgende Verfügung:

Die Beseitigungsverfügung vom 08.02.2022 wird wie folgt geändert:

1. Der Antrag auf Nachgenehmigung der auf dem Reihengrab (Einzelgrab) Feld N, Grab-Nr.2 errichteten figürlichen Nachbildung des Verstorbenen wird abgelehnt.

2. Gemäß §§ 1,3 und 5 PolG i.V.m. §15 der Friedhofssatzung (Friedhofsordnung und Bestattungsgebührensatzung) der Gemeinde Wallhausen vom 19.05.2010 werden Sie verpflichtet, die auf dem Reihengrab (Einzelgrab) Feld N, Grab-Nr.2 errichtete figürliche Nachbildung des Verstorbenen bis spätestens 4 Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung zu entfernen.

Begründung

I.Sachverhalt

In Ihrem Auftrag hatte die Firma (…………………….) mit Schreiben vom 15.10.2020 einen Antrag auf Genehmigung gemäß § 17 der Friedhofssatzung zur Errichtung eines Grabmals für das Reihengrab (Einzelgrab) Feld N, Grab-Nr.2 gestellt.

Den Antragsunterlagen war eine Schematische Darstellung einer Figur beigefügt, die die Höhe von ca. 70 cm nicht überschreitet. Die Zeichnung war in schwarz/weiß gehalten. Die Ausführung eines gesonderten Sockels für die Figur wurde in der Zeichnung nicht dargestellt.

Die Gemeindeverwaltung hat mit Schreiben vom 21.10.2020 die Genehmigung zur Errichtung des beantragten Grabmals erteilt und ein Nutzungsrecht bis zum 06.02.2054 bewilligt.

Auf dem Grab wurde von Ihnen dann ein Grabmal mit einer figürlichen Darstellung des Verstorbenen errichtet. Die figürliche Darstellung weist eine Höhe von ca. 1,30 cm auf. Hinzu kommt ein Sockel von ca. 25 cm, sodass die Figur  insgesamt 1,55 cm über die Graboberfläche hinausragt. Für die figürliche Darstellung wurde – was den Antragsunterlagen ebenfalls nicht zu entnehmen war – die Farbe signalorange gewählt.

Da trauernde Friedhofsbesucher sich durch die Größe, Farbgebung und Blickrichtung dieser figürlichen Darstellung gestört fühlten und mit der Gemeindeverwaltung Kontakt aufgenommen haben, kam es am 20.01.2022 zu einem gemeinsamen Gespräch im Rathaus Wallhausen. Sie wurden darauf hingewiesen, dass das Grabmal abweichend von dem Genehmigungsantrag und unter Verstoß gegen § 15 der Friedhofssatzung errichtet worden ist.

Mit Schreiben vom 22.01.2022 führten Sie zu dem Vorwurf der Gemeindeverwaltung, die genehmigten Vorlagen zur Grabgestaltung nicht eingehalten zu haben, aus, dass dies zutreffend ist und von Ihnen nicht bestritten wird. Sie hatten bei der Besprechung am 20.01.2022 dargelegt, wie es zu der Veränderung der eingereichten Unterlagen gekommen ist. Der Steinmetz (………………..) hätte Ihnen gesagt, dass die von Ihnen geplante neuere aktuelle Version keiner erneuten Genehmigung bedürfe. Sie machten weiter geltend, dass die aktuelle Grabgestaltung nicht gegen die Friedhofsordnung verstoße und die Grabgestaltung zur Würde des Ortes durch die professionelle künstlerische Grabgestaltung mehr beitragen würde, als manche anderen Gräber, die mit Gestrüpp, überdimensionierten Sträuchern, Vernachlässigung der Grabpflege und grauslichen Darstellungen den Friedhof entwürdigen würden. Die Unüblichkeit der Grabgestaltung begründe keinen Verstoß gegen die Friedhofsordnung.

Die Gemeindeverwaltung erließ daraufhin am 08.02.2022 eine Beseitigungsverfügung, gegen welche Sie mit Schreiben vom 24.02.2022 Widerspruch eingelegt haben. In der Widerspruchs-begründung vom 04.03.2022 führen Sie unter anderem aus, dass das Grab auf einem Grabfeld ohne Gestaltungsvorschriften liege und es in der aktuellen Fassung der Friedhofssatzung der Gemeinde Wallhausen keine Vorschriften zu Größe und Farbgebung des Grabmals gebe, weshalb eine Beseitigungsverfügung wegen Farbgebung und der Größe nicht berechtigt sei.

Sie verweisen auf andere Gräber, die mit einem Kuhkopf, einem Elefanten, einer Marienstatue und dem Porträt des Verstorbenen in Originalgröße gestaltet wurden und führen aus, dass es sich bei der figürlichen Darstellung des Verstorbenen um eine kunstvoll gestaltete Kreation eines Berliner Künstlers handle, die eine würdevolle Bereicherung des Ortes darstelle.

Sie haben dann in der Widerspruchsbegründung außerdem einen Antrag auf Nachgenehmigung der veränderten Ausführung gestellt. Mit Schreiben vom 12.03.2022 haben Sie mitgeteilt, dass Sie den Steinmetzbetrieb beauftragt hätten, für den Nachgenehmigungs-antrag noch maßstäbliche Skizzen von 1:10 einzureichen. Sie führten weiter aus, dass die Grabgestaltung nicht gegen die „Würde des Friedhofs“ verstoße. Sie legten dar, dass die Farbgebung für Ihre Trauerbewältigung von entscheidender Bedeutung sei. Die Farben Weiß, Gelb, Orange und Rot symbolisieren die vier Phasen des Lebens, wie auf dem Schild auf dem Grab beschrieben. An der farblichen Gestaltung könnten Sie nichts ändern, weil diese in einem Grabfeld ohne Gestaltungsvorschriften einer aufgezwungenen Grabgestaltung gleichkäme.

Über die Steinmetzwerkstatt (………) wurde dann mit Schreiben vom 06.05.2022 eine vermaßte Darstellung im Maßstab 1:10 vorgelegt, wonach die figürliche Darstellung eine Höhe von 1,30 cm aufweist und auf einem Muschelkalkstein mit einer Höhe von 25 cm befestigt ist. An der Farbgebung in den Farben Weiß, Gelb, Orange und Rot wurde festgehalten.

Die Gemeinde hat daraufhin den Sachverhalt nochmals geprüft und Ihnen mit Schreiben vom 17.08.2022 mitgeteilt, dass die figürliche Darstellung gegen den in § 15 der Friedhofssatzung geregelten allgemeinen Gestaltungsgrundsatz verstößt. Sie wurden darauf hingewiesen, dass figürliche Darstellungen auf dem Friedhof der Gemeinde Wallhausen das Maß von ca. 70 cm üblicherweise nicht überschreiten und der Eindruck des Grabmals aufgrund der grellen Farbgebung aufdringlich ist und schon beim Betreten des Friedhofs den Besucher*innen ins Auge sticht. Ihnen wurde weiter mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Beseitigungsverfügung vom 08.02.2022 dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Nachgenehmigung vom 06.05.2022 abgelehnt wird und die Beseitigung des Grabmals angeordnet wird. Im Rahmen des Ihnen bis zum 02.09.2022 gewährten rechtlichen Gehöhrs haben Sie mit E-Mail vom 31.08.2022 Stellung genommen und an Ihrer bisherigen Rechtsauffassung festgehalten. 

II. Rechtliche Würdigung

Die derzeitige Gestaltung der figürlichen Darstellung des Verstorbenen verstößt gegen den in § 15 der Friedhofssatzung der Gemeinde Wallhausen vom 19.05.2010 geregelten allgemeinen Gestaltungsgrundsatz, wonach Grabmale der Würde des Friedhofs in seinen einzelnen Teilen und in seiner Gesamtanlage entsprechen müssen. Die Würde des Friedhofs wird durch die Art und Weise der Gestaltung dieses Grabmals nicht mehr gewahrt.

Gemäß  § 15 des Gesetzes über das Friedhofs- und Leichenwesens (Bestattungsgesetz) können Friedhofsordnungen Bestimmungen enthalten, die nötig sind, um Verstorbene geordnet und würdig zu bestatten, zu ehren und die Ordnung auf dem Friedhof aufrecht zu-erhalten. § 15 der Friedhofssatzung der Gemeinde Wallhausen ist eine solche Regelung. Der dort geregelte allgemeine Gestaltungsgrundsatz gilt auch für das Reihengrab (Einzelgrab) Feld N, Grab-Nr.2.

Weitere besondere Gestaltungsvorschriften bestehen für dieses Grabfeld nicht, da es sich nicht um ein Grabfeld mit Gestaltungs-vorschriften im Sinne des § 16 der Friedhofssatzung handelt.

Die auf dem Grabfeld errichtet figürliche Darstellung wurde seitens der Gemeinde Wallhausen nicht gemäß § 17 der Friedhofssatzung genehmigt. Genehmigt wurde eine figürliche Darstellung mit einer Höhe von ca. 70 cm ohne besondere Farbgebung. Abweichend von dieser Genehmigung wurde eine ca. 1,30 cm hohe figürliche Darstellung in der Farbe Signalorange aufgestellt und zusätzlich ein Sockel mit einer Höhe von ca. 25 cm errichtet.

Die grelle Farbgebung und die Größe der figürlichen Darstellung haben zur Folge, dass dieses Grabmal sämtliche umliegenden Grabmale deutlich überragt und jedem Besucher des Friedhofs ins Auge sticht. Der Eindruck dieses Grabmals ist aufgrund seiner Gestaltung so aufdringlich, das sich andere Trauernde der Wirkung nicht entziehen können.

Die Würde des Friedhofs ist nicht mehr gewahrt, wenn sich ein Grabmal in die vorgegeben Struktur und Ordnung nicht einfügt. Üblich sind herkömmliche Grabsteine, die durchaus gestalterische Besonderheiten aufweisen dürfen; üblich sind auch figürliche Darstellungen, etwa von Marien- und Engelsfiguren, die das übliche Maß von 70 cm aber nicht überschreiten. Auch eine figürliche Darstellung des Verstorbenen widerspricht nicht grundsätzlich der Würde des Friedhofs.

Die Einhaltung der Würde des Friedhofs bedeutet aber zugleich, dass eine an die Örtlichkeiten angepasste Ästhetik einzuhalten ist und durch die Art und Weise der Gestaltung eines Grabmals andere Trauernde und Besucher des Friedhofs nicht in ihren Totengedenken gestört werden dürfen.

Die auffällige grelle Farbgebung und die Größe des Grabmals haben jedoch zur Folge, dass sich andere Trauernde und Besucher des Friedhofs provoziert fühlen können. Ein Friedhof muss aber ein Ort für alle Trauernden sein. Die besondere Würde des Ortes wird nur gewahrt, wenn bei Dritten keine Abwehrhaltung oder Ärger provoziert werden.

Die lebensechte Darstellung des Verstorbenen stellt dieses Grabmal aufgrund seiner Farbgebung und Größe gegenüber allen anderen Grabmalen auf dem Friedhof so deutlich heraus, dass die Trauergefühle Dritter hierdurch verletzt werden können. Ein weiterer Aspekt ist der Umstand, dass sich Friedhofsbesucher*innen durch das unverhältnismäßig große Abbild des Verstorbenen beobachtet und provoziert fühlen.

So ging bei der Gemeindeverwaltung am 07.01.2022 das Schreiben einer Trauernden ein, die zutreffend darauf hinweist, dass ein Friedhof ein Ort der Besinnung sein soll, an dem man zur Ruhe kommen kann. Durch Farbe, Größe und Ausrichtung des Grabmals fühlt sich die Trauernde massiv gestört.

Der Eindruck des Grabmals ist aufgrund der grellen Farbgebung aufdringlich und sticht schon beim Betreten des Friedhofs den Besucher*innen ins Auge. Die Grabstätte erhält mit dieser Skulptur eine auffällige Sonderstellung, die diese Grabstätte vor den anderen Grabstätten ausweist und dadurch die Würde des Friedhofs, die in gleicher Weise für alle Trauernden ein Ort der Besinnung und Trauer sein soll, nicht entspricht.

Auch der Gemeinderat der Gemeinde Wallhausen hat in einer Sitzung am 26.01.2022 den Sachverhalt ausführlich besprochen. Die Mehrheit des Gemeinderates wünscht die Entfernung dieser Figur, da diese in ihrer Gestaltung die Würde des Friedhofs verletzt.

Im Rahmen der erfolgten Anhörung am 20.01.2022, in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme vom 22.01.2022, in der Widerspruchs-begründung vom 04.03.2022 und der weiteren Widerspruchs-begründung vom 12.03.2022 sowie im Rahmen der weiteren Anhörung im Schreiben vom 31.08.2022 vertreten Sie weiterhin die Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Friedhofsordnung nicht vorliege und die Grabgestaltung nicht gegen die Würde des Friedhofs verstoße.

Die derzeitige Gestaltung der figürlichen Darstellung verstößt aber gegen den in § 15 der Friedhofssatzung niedergelegten allgemeinen Gestaltungsgrundsatz. Gemäß §§ 1,3 PolG I.V.m. § 15 der Friedhofssatzung sind Störungen der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen. Die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, damit auch die Beachtung des § 15 der Friedhofssatzung, ist Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Gemäß § 3 PolG sind diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind, wobei gemäß § 5 PolG die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beein-trächtigenden Maßnahmen zu wählen sind.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde Ihnen in Aussicht gestellt, dass bei einer Absenkung des Natursteinsockels mit der Folge, dass das Grabmal mit Sockel maximal noch eine Höhe von 1,40 cm aufweist, und einer Beseitigung der gelb-orange-roten Signalfarbe und Ausführung der figürlichen Darstellung in einer gedeckten Farbgebung eine Nachtragsgenehmigung möglich ist. Sie haben aber auch in dem Nachtragsgenehmigungsantrag an der ursprünglichen Höhe festgehalten und in verschiedenen Schreiben verdeutlicht, dass es Ihnen unmöglich ist, die Farbgebung zu verändern.

Im Rahmen des der Gemeinde Wallhausen zustehenden Ermessens wird hiermit die Beseitigung des Grabmals verfügt. Bei dem Grabmal handelt es sich um die einzige Skulptur auf dem gesamten Friedhofs-gelände, die mit extrem auffälligen rot-orangen Signalfarben in besonderer Weise die Aufmerksamkeit der Friedhofsbesucher auf sich lenkt. Da Sie nicht bereit sind, die anstoßende Gestaltung durch Verkleinern und Wahl einer dezenten Farbgebung zu korrigieren, kommt als geeignete Maßnahme nur die Beseitigung der figürlichen Nachbildung des Verstorbenen insgesamt in Betracht.

Die Anordnung eine Veränderung der Farbgebung der Figur und die Vorgabe einer Höhenangabe wären nicht verhältnismäßig, da Ihnen im Rahmen der Satzungsvorgaben ein Gestaltungsspielraum verbleibt, den Sie in einem  neuen Genehmigungsverfahren ausschöpfen können und der durch eine konkrete Gestaltungsordnung eingeschränkt würde.

Die gesetzte Frist zur Beseitigung der Skulptur ist auch ausreichend bemessen. Um die erforderlichen Arbeiten durchführen zu können. Die angeordnete Beseitigung genügt demnach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Da Sie in dem Antrag auf Nachgenehmigung auf der bisherigen Farbgebung durch Signalfarben bestehen und auch an dem Aufbau des Grabmals mit einem 25 cm hohen Muschelkalkstein als Figurauflagestein und einer 1,30 cm hohen figürlichen Darstellung des Verstorbenen festhalten, wird auch der Antrag auf Nachgenehmigung abgelehnt.

 

Rechtsmittelbelehrung                                                               Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe durch Zustellung Widerspruch beim Bürgermeisteramt Wallhausen, Seestraße 2, 74599 Wallhausen oder beim Landratsamt Schwäbisch Hall, Ordnungs- und Straßenverkehrs-amt, Karl-Kurz-Straße 44, 74523 Schwäbisch Hall erheben.

Mit freundlichen Grüßen

Rita Behr-Martin                                                                                    Bürgermeisterin

 

   

 

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Widerspruch gegen die 2. Beseitigungsverfügung

 

Wallhausen, 17.10.2022

Grabanlage Reihengrab (Einzelgrab) Ricardo Schott, Friedhof  Wallhausen, Grabfeld N, Grab-Nr. 2

Widerspruch gegen die Beseitigungsverfügung vom 21.09.2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Frickinger,

endlich sind Sie da. Wir haben Sie schon sehnlichst erwartet. Meine Frau Theodora und ich wünschen Ihnen einen angenehmen Start als Bürgermeister unserer Gemeinde.

Sie sind jetzt in der Angelegenheit unseres Grabmals, bezüglich unseres Sohnes Ricardo, der neue Ansprechpartner als Bürgermeister, nachdem die Bürgermeisterin Rita Behr-Martin uns bisher als direktes Gegenüber vorstand.

Wir haben hohe Erwartungen an Sie, weil wir Sie als einen dynamischen, modernen und fortschrittlichen Menschen in der Wahlkampfphase erlebt haben. Wir bitten Sie, beenden Sie das Drama der Beseitigungsverfügung durch die Bürgermeisterin Rita Behr-Martin. Die sture Rückwärtsgewandtheit in der Bestattungskultur, die rigorose Ignoranz gegenüber unseren intimen Gefühlen in der Trauerbewältigung und die Ablehnung einer zeitgemäßen Friedhofskultur sind die Eckpunkte des Dramas um die Ablehnung des Grabmals unseres Sohnes.

Die ausführliche Begründung der Ablehnung der Bürgermeisterin vom 21.09.2022 über unseren Nachantrag vom 06.05.2022 ist deren alleinige Entscheidung aufgrund von § 15 der Friedhofsatzung und einer schriftlichen Beschwerde einer Person, die sich beim Besuch auf dem Friedhof durch unsere Grabgestaltung gestört fühlt.

Gegen den Bescheid der Bürgermeisterin Rita Behr-Martin vom 21.09.2022  (postalische Zustellung am 23.09.2022): Gemäß den Rechtsmitteln zum Bescheid der Beseitigungsverfügung erheben wir Widerspruch und beantragen die Erstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

  1. Widerspruch                                                                           Wir erheben Widerspruch gegen den Bescheid.
  1. Antrag auf Erstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs

Wir beantragen die Erstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, damit die figürliche Darstellung auf dem Reihengrab (Einzelgrab), Feld N, Grab-Nr.2,  bis zur endgültigen Beschlussfassung des Widerspruchsverfahrens, verbleibt.

  1. Nachstehend möchten wir die Sachlage nochmals erläutern und gleichzeitig unsere Begründung zum Widerspruch vom 25.02.2022 ergänzen. 

Unsere Grabgestaltung verstößt nicht gegen § 15 der Friedhofsatzung, in der die Bezeichnung „Würde des Friedhofs“  genannt wird. Eine Abweichung von der althergebrachten, überkommenen Grabmalgestaltung auf dem Friedhof ist nicht automatisch eine Entwürdigung des Friedhofs. Die farbliche Abweichung und die Größenabweichung der Figur von den üblichen Formen und Farben ist ebenfalls nicht per se eine Entwürdigung des Friedhofs. Genau das ist aber die Logik und Überzeugung der Bürgermeisterin. Diese Argumentation entbehrt jegliche juristische Substanz.

Die Verbraucherschutzinitiative für Bestattungskultur, Aeternitas, (Königswinter), hat unser Grabmal geprüft und als „genehmigungsfähiges Grabmal“ (Zitat: Christoph Keldenich) eingestuft. Wir bitten Sie, diese neutrale und fachliche Bewertung anzuerkennen. Die Gemeinde Langenburg hat sich dazu bekannt „Abschied und Trauer neu zu denken“ und die „einheitliche Grabgestaltung“ ganz abzuschaffen, weil “Menschen ja auch nicht alle gleich sind “, sagt der Langenburger Bauhofleiter Ralph Gruber (siehe Zeitungsartikel, vom 05.08.2022, in der Anlage,). Seit 10 Jahren ist die Gemeinde Langenburg auf diesem Weg. Herr Gruber hat sich bereit erklärt sein Wissen und seine Erfahrung auch in Wallhausen einzu-bringen. Bitte laden Sie Herrn Gruber ein, wir stellen gerne den Kontakt her. Die Gemeinde Gerabronn hat den § 15, „die Würde des Ortes“, auf den die Bürgermeisterin ihre Ablehnung begründet, aufgrund der „sehr unbestimmten“ (Zitat: Bürgermeister Christian Mauch, siehe Zeitungsartikel vom 18.06.2022)  Rechtsprechung gestrichen.

Wir leben im 21. Jahrhundert und der gesellschaftliche Wandel in der Friedhofskultur ist eine anerkannte Größe in der Gesellschaft in Deutschland. In Wallhausen ist die Moderne in der Bestattungskultur, die sowohl die Tradition und die Innovation gleichermaßen anerkennt und nicht gegeneinander ausspielt, sondern verbindet, noch nicht angekommen. Jeder Friedhofsbesucher sollte sich an die zeitgemäße Bestattungskultur gewöhnen, auch die Besucherin, die sich beschwert hat.

Nur weil eine Grabgestaltung ungewöhnlich ist und Besucher sich daran stören, ist das kein amtlicher Grund eine Beseitigung anzuordnen (Die Geschmäcker sind nun mal verschieden). Es geht hier nicht um einen Gartenzaun, der falsch gesetzt wurde! Zudem liegt das Grab auf einem Grabfeld ohne Gestaltungs-vorschriften. Es gibt auf diesem Grabfeld keine satzungsgemäße Vorschrift in der Größe und keine satzungsgemäße Vorschrift in der Farbgebung eines Grabmals! Es gibt keine Satzungsvorschrift, dass die Farben auf dem Friedhof ausschließlich von den Pflanzen und Blumen auf den Gräbern kommen müssen und die Grabmale ausschließlich eine graue, sogenannte gedeckte Farbe, aufweisen müssen. Die Aussage der Bürgermeisterin, das Grabmal sticht den Besucher*innen schon beim Betreten des Friedhofs ins Auge, halten wir für persönlich gefärbt und überzogen, weil beim Eintreten in den Friedhof auch gleichfalls „hundert“ andere Grabmale in den umherschweifenden Blick des Besuchers fallen.

Wenn in den genannten Gemeinden eine zeitgemäße Friedhofskultur seit 10 Jahren gepflegt wird, dann ist dies auch in Wallhausen möglich. Sie sind der Bürgermeister, der das möglich macht. Wir sind mit ehrenamtlichem Engagement dabei, Sie zu unterstützen, um die Friedhofskultur in der Gemeinde Wallhausen auf ein zeitgemäßes Niveau zu bringen. Wir, das sind engagierte Bürger, die aus der Unterschriftenaktion zum „Erhalt der Grabgestaltung Ricardo Schott“ hervorgegangen sind und die „Initiative Friedhofkultur Wallhausen“ gegründet haben. Die Unterschriften sind der Widerspruchsbegründung vom 04.03.2022 beigelegt. Meine Frau Theodora und ich, Tobias Dänzer und Rabea Laukenmann stehen dieser Initiative vor. Das Positionspapier der Initiative haben wir an alle Gemeinderäte gesandt und legen es für Sie diesem Schreiben bei. Bitte fördern und unterstützen Sie das Ankommen des Wandels in der Friedhofkultur in Wallhausen. Unsere Kommune steht mindestens 10 Jahre im Rückstand. Siehe Fotos von Grabgestaltungen auf anderen Friedhöfen, in der Anlage. Der Soziologe Dr. Thorsten Benkel, Uni-Passau forscht seit vielen Jahren zum Wandel in der Friedhofskultur. In der Anlage senden wir seinen Forschungsbericht Trauerkultur in der Moderne/ Gesellschaftlicher Wandel des Friedhofs.

Die Moderne ist auf dem Land sichtbar lebendig aber nicht überall. In Wallhausen gibt es viel Bewegung. Es gibt eine neue Kläranlage auf dem neusten Stand der Technik, eine Ladestation für E-Autos und einen abgeschlossenen Internet-Breitband-Ausbau. Auf dem Friedhof bestimmen jedoch weiterhin ideologische Verordnungen und Vorgaben von Gestern, manchmal selbstbestimmt, den Einzug einer zeitgemäßen Bestattungskultur in die Moderne. Warum ist das so? Warum werden Hinterbliebene in ihrer Trauer gegängelt, bevormundet und in Ketten gelegt?

Der Soziologe Dr. Thorsten Benkel beantwortet die Frage als Wissenschaftler präzise und einfach:                                                 „Wer, wenn nicht die Angehörigen und Hinterbliebenen, können entscheiden und justieren, was sich aus dem Ensemble denkbarer und praktizierter Trauerhandlungen im individuellen Einzelfall als anschluss-fähig herausstellen wird? Wer, wenn nicht diejenigen, die sich der sozialen Konstruktion ›Trauer‹ und ihrer hintergründigen, ordnungsgebenden Macht aussetzen, sollen definieren können, was unter den Ritualdesignangeboten überkommen, was noch praktikabel und was zukunftsträchtig ist? Pauschalismen sind fehl am Platz, denn sie lähmen die Trauer: sie nehmen ihr das lebendige Entfaltungs-, Gestaltungs- und auch Verdrängungspotenzial. Starre Regelungen haben durchaus ihre funktionsträchtige historische Phase erlebt; die Permanenz des sozialen Wandels ist jedoch das Gegengift wider die institutionelle Selbstgefälligkeit. Wo sich nichts mehr bewegt, herrscht der Tod. Gesellschaftliche Spielregeln, die die Trauer in Ketten legen, verwandeln sie; aus einer lebendigen Empfindung wird eine pauschale Empfindung. Persönliche Perspektiven auf den angemessenen Umgang mit dem Sterben und dem toten Körper, mit dem Abschied und der Erinnerungsstätte sind selbstverständlich manchmal provokant. Sie mögen auf Beobachter deplatziert wirken oder unangemessen oder schlichtweg falsch. Eine unabhängig vom individuellen (und darin eben auch zur Autonomie strebenden) Willen geltende Vorschrift, die dies einschränkt, kann eine Waffe sein, mit der Unbedingtheitsansprüche durchgefochten werden können. So unbedingt aber, dass selbst höchstprivate Empfindungen sich ihr formelhaft unterwerfen müssen, sollte in einer individualitäts-geprägten Gesellschaft keine Norm mehr sein. Ihre Leistung ist ansonsten nicht die Lösung von Problemen, sondern die Erschaffung derselben; sie verdinglicht. Damit will ich sagen: Ohne Autonomie der Trauer ist die Trauer selbst ein Symptom fehlender Lebendigkeit. Dass Trauer nichts Totes, sondern etwas Lebendiges ist, muss in der deutschen Gesellschaft noch gelernt werden“ (aus Autonomie der Trauer, Thorsten Benkel, Nomos Verlag, 2019).

Wird das Recht der freien Grabgestaltung auf Grabfeldern ohne Gestaltungsvorschriften von der Rathausverwaltung gebrochen, dann bricht die Amtsgewalt das Recht. In der Rechtsprechung hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 16.10.1996 (Az. 1 S 3164/95) den folgenden Leitsatz aufgestellt: „Die aus ästhetischen Gründen erlassene Regelung in einer Friedhofsordnung, wonach bei der Gestaltung der Grabmale Politur unzulässig ist, ist mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in der Regel nur vereinbar, wenn in der Satzung sichergestellt ist, dass solche Grabmale auf einem anderen gleichwertigen Gräberfeld desselben Friedhofs aufgestellt werden dürfen.“

Wenn die Rathausverwaltung das Recht auf unsere freie Grabgestaltung durch § 15 der Friedhofsatzung aushebeln will, dann muss sie sich der objektiven Gerichtsbarkeit des Verwaltungsgerichts unterstellen, der letztendlich darüber entscheiden muss, ob die „Würde des Friedhofs“ durch die professionelle, künstlerische Gestaltungskraft, der Würdigung des Verstorbenen, ein Verstoß ist. Aus unserer Sicht ist die „Würde des Friedhofs“ verletzt, wenn pornografische, satanische, blasphemische, rassistische oder obskure Darstellungen verwendet werden.

Unsere Grabgestaltung hat einen nicht unerheblichen Anteil an unserer privaten und höchst intimen Trauer- und Erinnerungsform um unseren verstorbenen Sohn Ricardo. Jedes Mal, wenn wir  den Erinnerungsort auf dem Friedhof besuchen und die Figur unseres Sohnes sehen, kommt Freude auf und die Trauer hat keinen Platz mehr uns zu überwältigen. So geht es auch den Freunden von Ricardo, Familienangehörigen und den Bekannten, die Ricardo vermissen. Wenn das eine Grabgestaltung leisten kann, dann ist diese nicht zu beseitigen sondern zu erhalten. Bei der Grabgestaltung auf dem Friedhof geht es auf der zu nutzenden Fläche von 1m x 2m in erster Linie um die Belange und Bedürfnisse der direkten Hinterbliebenen und nicht vorrangig um die Interessen und Wünsche jeden Besuchers. Diese Reihenfolge vermissen wir seit Beginn der nun schon 8-monatigen Drangsalierung durch die Aktivität der Bürgermeisterin und die Passivität des Gemeinderates. 

Die Initiative Friedhofkultur Wallhausen ist im Internet präsent (www.friedhof-kultur.de), um den Wandel in der Friedhofskultur in Wallhausen mit der Öffentlichkeit zu gestalten und als Portal zur Kommunikation zu nutzen. Wir möchten Sie gewinnen auf diesem Portal Ihre Stimme für eine zeitgemäße Bestattungskultur in Wallhausen einzubringen. Dr. Thorsten Benkel hat ebenfalls seine Unterstützung zum Webauftritt zugesagt. 

Bitte heben Sie die Beseitigungsverfügung auf und verschonen Sie Wallhausen und alle Beteiligten vor dem unseligen Gang vor das Verwaltungsgericht. Das will sicher niemand wirklich.

Bitte lassen Sie uns gemeinsam für eine fortschrittliche Kommune streiten und Wallhausen, wie in anderen Gemeinden, auf den neusten Stand in der Friedhofskultur bringen. Lassen Sie uns bewusst und gezielt daran arbeiten, neue und flexible Formen der Trauerbewältigung in der Grabnutzung zu ermöglichen, die den Trauernden besser entsprechen. Tabus und erstarrte Normen können durchbrochen werden, damit mehr Freude, Kreativität und Lebendigkeit Einzug halten.

Ihr Grußwort, im Mitteilungsblatt Nr.40, „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger: „Nichts ist so beständig wie der Wandel!“, sagte einmal Albert Einstein“, nehmen wir Ihnen gerne ab. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam Zukunft gestalten.

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Schott    Theodora Schott

Anlage

 

 

 

 

 

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Chronologie:  Grabgestaltung Wallhausen 2020-2022

10.09.2022
2. Brief an alle 18 Wallhäuser Gemeinderäte*innen

31.08.2022
Antwort per Mail an die Bürgermeisterin

17.08.2022
Ablehnung des Nachantrages vom 06.05.2022 durch die Prüfung  der Bürgermeisterin, eingegangen am 23.08.2022

20.08.2022
1. Brief an alle 18 Wallhäuser Gemeinderäte*innen

15.08.2022
3. Info-Brief an die Beteiligten der Unterschriftenaktion

19.05.2022
2. Info-Brief an die Beteiligten der Unterschriftenaktion

06.05.2022
Aktualisierter Nachantrag des Steinmetzbetriebes am 09.05.2022 eingereicht

05.05.2022
Rückstellung der Entscheidung über den Nachantrag

12.04.2022
Antwortbrief an die Bürgermeisterin

31.03.2022
Brief der Bürgermeisterin auf unseren Widerspruch

23.03.2022
Auftritt in der Gemeinderatssitzung zur Einwohnerfragestunde

04.03.2022
Unsere Begründung zum Widerspruch per Zustellung am 07.03.2022, an die Bürgermeisterin

03.03.2022
Bestätigung der Bürgermeisterin zur aufschiebenden Wirkung

21.02.- 04.03.2022 
Info-Brief mit Aufruf zur Unterschriftenaktion

24.02.2022
Widerspruch per Zustellung am 25.02.2022 zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

08.02.2022
Beseitigungsverfügung zum 28.02.2022, per Zustellung am 10.2.2022

22.01.2022
Brief an die Bürgermeisterin, nach Reflektion des Gesprächs

20.01.2022
Gespräch mit der Bürgermeisterin im Rathaus (Protokoll)

21.11.2021
Enthüllung der Grabgestaltung

21.10.2020
Rathaus erteilt Genehmigung zur Errichtung des Grabmals

15.10.2020
Antrag Steinmetzbetrieb auf Erlaubnis zur  Errichtung der Grabanlage an das Rathaus 

16.08.2020
Erste Skizze der Grabgestaltung mit Figur vom  Bildhauer